Warum wurde das Jugendschutzgesetz angepasst?
Wir befinden uns in einer Kultur der Digitalität. Wir leben in einer Gesellschaft, die sich ständig verändert und zunehmend in allen Lebensbereichen digitalisiert. Insofern ist es notwendig geworden, für mehr Schutz in der digitalen Welt gegen sogenannte Interaktionsrisiken wie Mobbing, sexuelle Anmache oder Kostenfallen zu sorgen. Es geht um ein gutes Aufwachsen mit digitalen Medien und unbeschwerte Teilhabe von Heranwachsenden entsprechend der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen.
Um Risiken durch die Nutzung digitaler Anwendungen zu begegnen, verpflichtet das Gesetz nun Plattformbetreiber zu Vorsorgemaßnahmen wie sicheren Voreinstellungen, die Nutzungsrisiken je nach Alter begrenzen. Hinweise auf anbieterunabhängige Beratungsangebote und Hilfe- und Meldemöglichkeiten für NutzerInnen müssen leicht auffindbar sein und vor allem Eltern verlässliche Orientierung geben. Die Neuerung des Jugendschutzgesetzes reagiert auf aktuelle Herausforderungen und trägt zu einer sichereren Nutzung digitaler Angebote für Kinder und Jugendliche bei.
Was ist neu beim Jugendschutzgesetz?
Das Jugendschutzgesetz wurde überarbeitet und ist gültig seit dem 1. Mai 2021. Bundestag und Bundesrat haben die Gesetzesnovelle auf Initiative der Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey beschlossen.
Das neue Gesetz bringt mehr Schutz, Orientierung und Rechtsdurchsetzung im Bereich des Jugendmedienschutzes, was besonders für Familien hilfreich ist. Ein relevanter Punkt ist die verbindliche und einheitliche Alterseinstufung von Filmen und Spielen – unabhängig davon, über welches Medium sie angeboten werden. Weiter werden Kontakt- und Interaktionsrisiken berücksichtigt. Besonders in sozialen Netzwerken und Spiele-Apps werden Kinder zunehmend mit Mobbing, sexuellen Übergriffen oder Kostenfallen konfrontiert. Diese Herausforderungen werden durch die Altersprüfung künftig bedacht und die entsprechenden Angebote mit Symbolen kenntlich gemacht.
Was genau ändert sich für Anbieter?
Anbieter werden stärker in die Pflicht genommen. Sie müssen dafür sorgen, dass ihre Angebote für Kinder und Jugendliche sicher gestaltet sind. Dazu gehören sichere Voreinstellungen, Altersüberprüfungen sowie verlässliche und gut sichtbare Melde- und Hilfefunktionen.
Die ebenfalls neu geschaffene Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz wird mit dafür sorgen, dass die Regelungen auch gegenüber ausländischen Anbietern angewandt werden.
Wie wird sichergestellt, dass internationale Plattformanbieter das neue Jugendschutzgesetz beachten?
Es gibt ein dialogisches Verfahren. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien wird ausgebaut zu einer Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz. Diese tauscht sich dann mit den Anbietern über Sicherheitslücken in den Anwendungen aus und diese behoben werden können.
Sichere Voreinstellungen können regeln, dass bestimmte Bereiche eines Angebots für Kinder nicht zugänglich sind. Um Interaktionsrisiken wie Cybermobbing und Cybergrooming effizient begegnen zu können, müssen Anbieter ein wirksames Melde- und Beschwerdesystem für die NutzerInnen bereitstellen.
Ergreift ein Anbieter keine entsprechenden Maßnahmen zum Schutz für Kinder und Jugendliche, wird ein dialogisches Verfahren eingeleitet oder es droht ein Bußgeld von bis zu 50 Millionen Euro.
Ist das Internet durch das neue Gesetz absolut sicher?
Regelungen helfen dabei, die Internetnutzung sicherer zu machen. Alle Risiken lassen sich dadurch nicht ausschließen. Unerlässlich ist es, dass Eltern und PädagogInnen mit Kindern und Jugendlichen sprechen, sie in der Medienwelt begleiten und Hilfe- und Beratungsstellen für den Bedarfsfall aufzeigen.
Das neue Jugendschutzgesetz wirkt dabei unterstützend und Orientierung gebend. Die Auswahl digitaler Angebote kann leichter und passender dem Alter der Kinder entsprechend getroffen werden.
Werden Kinder und Jugendliche beteiligt?
Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen wird gestärkt, indem sie in einem Beirat, der bei der neuen Bundeszentrale für Jugendmedienschutz eingerichtet wird, vertreten sein werden. Dort wirken sie mit bei der Beurteilung der Wirksamkeit des Gesetzes und an dessen Weiterentwicklung.
Nach welchen Kriterien erfolgt die Alterskennzeichnung?
Hauptsächlich waren bisher Konfrontationsrisiken durch ungeeignete Inhalte, mit denen Heranwachsende in Berührung kommen könnten, maßgeblich entscheidend, ob und wenn ja für welches Alter ein Spiel oder ein Film Kindern und Jugendlichen zugänglich gemacht wird.
In digitalen Angeboten gibt es jedoch Interaktionsrisiken durch den Kontakt zu Fremden sowie kostenpflichtige und glücksspielähnliche Inhalte. Mit der Gesetzesnovelle werden künftig ebenfalls die Interaktionsrisiken bei der Altersprüfung berücksichtig, um in der virtuellen Welt besser vor Mobbing, sexuellen Übergriffen und Kostenfallen zu schützen.
Was ändert sich bei der Alterskennzeichnung?
Im Rahmen der Freiwilligen Selbstkontrolleeinrichtungen (FSK) ist eine Alterskennzeichnung nur für Inhalte verpflichtend, die auf Trägermedien erscheinen und verkauft oder im Kino oder Fernsehen gezeigt werden. Nur online verfügbare Inhalte erhalten keine gesetzliches Kennzeichnung. Die Altersempfehlungen u.a. in App-Stores werden nach verschiedenen Systemen und Kriterien vorgenommen, die sich zwischen den verschiedenen Plattformen unterscheiden können. Dadurch kommt es zu Verwirrung und Unsicherheit bei den Heranwachsenden sowie Eltern und PädagogInnen.
Die geplanten Änderungen sorgen für mehr Transparenz, Einheitlichkeit und eine bessere Orientierung, indem die Alterskennzeichnung unabhängig von dem Veröffentlichungsmedium – analog oder digital – nach denselben Kriterien und in einheitlichen Verfahren vergeben werden.
Was bedeuten sichere Voreinstellungen durch Anbieter?
Mit dem neuen Jugendmedienschutz sollen die Betreiber der Angebote, die sich vorrangig an Kinder oder Jugendliche richten, dazu verpflichtet werden, vorgegebene Rahmen- und Mindestbedingungen bei den Voreinstellungen zu erfüllen. Dies bedeutet, dass nicht der Nutzende zunächst sichere Voreinstellungen vornehmen muss, sondern, dass diese durch den Anbieter direkt angelegt sind. Zudem muss es gute und verständliche Hilfs- und Meldeangebote innerhalb der Anwendungen geben.
Weitere Informationen: Schau Hin, Interview mit Bettina Bundszus (BMFSFJ).